morgen, vielleicht.

Zur Welt kommen und von ihr gehen, ohne jeden Hinweis, in einer Sekunde bewegt, in der anderen gefroren. Sie war dir nicht vollkommen fremd, du hast nur versäumt, sie festzuhalten. Wenn du ihr begegnetest, überkam dich ein Schauer, der etwas verriet, wo du herkommst, wo du hin willst.

Was wäre geworden, gäbe es sie nicht. Warme Sonne, du scheinst von Grund auf, ganz grundlos beschenkst du diese wilde, weite Welt, hältst nur still, solange du musst. Ein Kind, streunend, Richtung Fluss. Ein Lauf, den man nicht stören darf, weil er zu keinem Ende kommen will. Weißt du noch, wie es war? Diese Sehnsucht, dieser große Wunsch, der sich traut, stolpernd und ungezügelt?

Losgelöst stehe ich an deinem Bett, gehe jetzt, nirgendwo hin. Es ist Morgen, das Leben, es beginnt mit dem Tod. Wie lange noch? Wenn ich noch länger bleibe, bleibe ich für immer. Wirst du erstarren, wenn ich nicht bei dir bin? Dort ging ich auf, dir gewidmet, ein Zimmer, ein verschneites Weltgeschehen, das nicht jeder betreten darf.  Du schliefst, wie auch jetzt, liegst da, unter einem schweren Himmel, der so leicht die Nacht beherrscht. Rot ist grau, Gelb ist weiß, bedeckt, traumlos, immer gleich, dort kann dir nichts geschehen. Für wen ist sie, diese glasige, unberührte, ausdruckslose Lüge? Zeit ist dunkel, ist Krieg, ist alles Krieg, die große Entschuldigung. Kalte Scham, in tiefer Unruhe, Grundeis hat scharfe Zähne, es beißt, es brennt, denn darunter, bist du doch, nicht, nicht. Der Körper, er kennt keine Sinnlosigkeit. Meine stille, bleiche Liebe, –sagtest du nicht Liebe?–,  mit jedem Tag ein bisschen mehr verloren, ungeboren. Unter diesem kalten Mantel, da bau’ ich mein Exil, lausche, kratze und lecke in deine Decke nach dir, ich will dich suchen, in Ewigkeit entfrieren. Aber stell dir vor, ich bliebe, Zartheit, zum Öffnen gesät, in dein Innerstes gestohlen, du würdest nur darunter leiden. Es würde um mich dampfen, es würde immer wärmer, der Regen, der Fluss, sie kämen doch und dann wüsstest du wieder, dass ich, ein Herz, alles habe, lebendig und schön, mich nicht beschweren könnte, was dich recht unglücklich machte. Im Kern liegt der Garten. Und sagte ich, mach auf, vergeblich, es würde nicht dämmern, du warst zu lang allein. Wärst du es nicht, würdest du vielleicht über Harmonie nachdenken. Und wenn ich dich nun küsste, fasste, dich von diesem Kerker befreite? Nein, ich lass’ dich schlafen, undurchdringlich, und es wird sicher, wieder so, wie es war. Man kommt aus der Kälte doch nur heraus, wenn man sie spürt. Erinnerst du dich? Es ist nicht so lange her.

Frühling.

Er wäre, würde alles.

Eine Temperatur, wärmer als Wut, Tage voll Licht, ein Herz, frei und unverloren, zusammen vor den Toren, glauben, im Anfängerglück. Ein größeres, neueres Leben, jederzeit könnte etwas wachsen. Die Geburt ist die Bedingung aller Wirklichkeit. Nur sie missachtet das Kontaktverbot.

Morgen, vielleicht. Rein fiktiv, ewiges Vergehen, im Konjunktiv. Da ist ein Schlund zwischen dir und der Welt. Das Eis bewahrt, das Feuer verbrennt. So wie man sich Liebe nicht abgewöhnen kann, kann man Gleichgültigkeit nur veredeln. Man fühlt sich damit wohl, obwohl man es nicht sollte. Dein Weltinteresse ist apokalyptisch, kannst mit niemand andern sein. Ein gleichmütiger Zeuge, zum Verschwinden verdammt.

Ist das Leben unter der Sonne, vielleicht nur ein Traum?

Woraus wir bestehen ist viel größer als das, was wir sind. Ich rufe deinen Namen. Was wird werden, wenn du nicht auftauchst, nicht nach draußen wächst? Das Eis ist nicht ewig, es beginnt zu zergehen. Wie kommt man in die Welt? Bring mir Wasser, bring mir keinen Wein. Einen süßen Regenguss, eine Bewegung, kleine Flut, lass sie mich spüren, vom Himmel, ganz nah, warm und ausgedrückt, tausend Tropfen, ein Anlass ohne Abschluss, Gegenwart, in der sich etwas wendet.

Einen plötzlichen Anfang, eine Berührung, und das Erdenschwere, was passiert ist, findet, so leicht, vorläufig, ein Ende.

Alles, gehörte dir, wenn wir die Beherrschung verlieren. Ein einziges Mal trauen, trauern, tauen.

Du wurdest geboren und kamst nicht zur Welt. Um dich auszugrenzen, genügte es, auf dich zuzugehen, um dich zu vertreiben, ein Versuch der Annäherung. Ich wollte dich berauben, dir die Kälte entziehen, du in deinem eigenen Eis erfriern’. Nun bin ich fiktiv, herabgelassen, der Wirklichkeit verloren. Um für dich aufzugehen, musste ich sinken, in unerreichbare Erden.

Guten Morgen. Ich bin es, das Ende.

Ich lösche das Feuer, schließe die Tür der Welt, vergraben, gerade so, als wäre ich gar nicht da.

Lass es Zeit sein, aber nicht für mich.

Was auch immer du tust, tu es nicht.


»I hold on to all those days
The times I had you here in my embrace
The biggest gift I ever knew
Was to love you knowing that you love me too
And now the big sleep keeps you safe
As she lets you close your eyes in her embrace
You can lie here forever in her heart
As long as we're apart« Aurora


You're not born just to die.

»Ja jetzt kommt bald das Morgenrot so richtig easy klassisch
Bald bin ich tot ohne jede Absicht
Universum, danke« Sophie Hunger

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ein kuss auf der brücke